Westworld, Blade Runner oder Ex Machina – Science Fiction erweckt menschenähnliche Sexroboter schon seit Jahren zum Leben: Die Maschinen sind allzeit bereit, geben keine Widerworte und lassen sich an die individuellen Bedürfnisse ihrer Nutzer:innen anpassen. Heute lassen sich solche KI-gesteuerten Sexpuppen im Internet bestellen – und sollen vor allem Männer ansprechen. Das wirft nicht nur ethische, sondern auch psychologische Fragen auf. Die Duisburger Medienpsychologin Jessica Szczuka erforscht die Wirkung sexualisierter Roboter auf den Menschen. Ein Gespräch darüber, wie die Maschinen unser Sexual- und Liebesleben verändern könnten.
Sexroboter sollen mehr sein als nur leblose Puppen: Das zumindest verspricht die Website des amerikanischen Sexroboter-Herstellers Realdoll. Die Maschinen sind nicht nur mit körperlichen Geschlechtsmerkmalen ausgestattet, sondern sollen dank künstlicher Intelligenz auch in der Lage sein, mit ihren Besitzer:innen zu kommunizieren. Das Gesicht, die Größe der Brust – all das lässt sich individuell anpassen. Beweglich ist allerdings nur das Kopfteil der Maschinen, der Körper bleibt derzeit noch eine leblose Silikonhülle.
Die ethische Debatte um Sexroboter ist groß und beschäftigt die Wissenschaft bereits seit Jahren: Sie reicht von optimistischen Zukunftsvisionen bis hin zu extremen Gegener:innen, wie der Britin Kathleen Richardson. Die Anthropologin sieht in den Maschinen vor allem die Gefahr, dass die Maschinen zu einer generellen Verrohung der Gesellschaft führen und Frauen als Sexsklavinnen degradiert werden. 2015 rief Richardson die Kampagne gegen Sexroboter ins Leben und forderte ein Verbot von Sexrobotern.
Bisher mangelt es noch an empirischer Forschung zu den Maschinen. Die Medienpsychologin Jessica Szczuka hat sich in empirischen Studien bereits mit der Wahrnehmung von Sexrobotern und möglichen Folgen für das menschliche Sexualleben beschäftigt.
SEXROBOTER ALS PERFEKTE PARTNER:INNEN?
Der Informatiker David Levy zählt zu den wohl prominentesten Befürwortern von Sexrobotern. In seinem Buch Love and Sex with Robots prophezeite er schon 2007, dass Beziehungen und Sex mit Robotern im Jahr 2050 für den Menschen Alltag sein werden. Wie bereit sind wir derzeit für Sexroboter?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Ich denke, dass es Menschen gibt, die sehr froh darüber wären, wenn sie so einen Roboter hätten. Für andere wiederum wäre das überhaupt nichts. Ich glaube aber im Übrigen, dass das bei jeder Technologie der Fall ist: Wie bereit sind Menschen zum Beispiel für ChatGPT? Das lässt sich auch nicht pauschal beantworten, sondern hängt von unfassbar vielen Variablen ab.
Speziell bei Sexrobotern spielt es aber zum Beispiel eine Rolle, wie erfüllt man ist – sexueller und sozialer Natur.

Die Maschinen versprechen heutzutage ja nicht nur sexuelle Befriedigung, sondern auch einen Partner:innen-Ersatz.
Das stimmt, aber auf Basis meiner eigenen Arbeiten würde ich sagen: Wir müssen zwischen einer kurzfristigen Situation, in der man sexuell erregt ist, und einer Liebesbeziehung unterscheiden. Wenn sexuelle Erregung ins Spiel kommt, konzentriert sich das Denken weniger auf die Reflektion von sozialen Normen oder negative Konsequenzen. Dann kann es sein, dass die Tatsache in der Hintergrund rückt, dass es sich beim Gegenüber gerade um ein Artefakt handelt. Dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person einen Sexroboter akzeptiert, größer, wenn sie sexuell erregt ist.
Wenn wir über Liebesbeziehungen sprechen, ist das anders. Da bedarf es einer langfristigen Beziehungsarbeit. Das ist kein einseitiger Prozess und die Roboter sind einfach nicht so ausgereift, dass sie so auf ihr Gegenüber eingehen können, wie es menschliche Partner:innen tun könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir künftig richtige Beziehungen mit Robotern führen, halte ich daher für vergleichsweise gering.
Auf Basis dessen, was bisherige Studien und Theorien zeigen, würde ich aber sagen: Viele Menschen hätten das Potential, sich auf eine sexuelle Interaktion mit einem artifiziellen Gegenüber einzulassen. Es gibt ja inzwischen auch schon KI-Chatbots, wie zum Beispiel Replika, mit denen Menschen sexuelle Handlungen eingehen. Ich glaube, dass die Einstiegshürden bei Sexrobotern derzeit für viele Menschen aber einfach noch zu groß sind: Die Geräte sind sehr teuer, man muss sie irgendwo in seiner Wohnung unterbringen – und sich vielleicht sogar überlegen, wo man den Roboter hinschafft, wenn Besuch kommt.
Häufig wird in der Debatte zu Sexrobotern auch argumentiert, dass die Geräte vor allem für einsame Personen ein Gewinn sein könnten. Davon auszugehen, dass die Technologie nur von den Einsamen genutzt wird, halte ich für zu eng gegriffen.
Ich nehme an, damit spielen Sie auf die Ergebnisse einer Studie an, die Sie 2017 mitveröffentlicht haben?
Genau. Wir haben damals rund 260 heterosexuelle Männer dazu befragt, ob sie sich vorstellen könnten, einen Sexroboter zu kaufen. Rund 40 Prozent der Männer gaben an, dass sie sich vorstellen könnten, jetzt oder in den nächsten fünf Jahren so ein Gerät zu kaufen. Der Faktor der Einsamkeit hatte keinen Einfluss auf die Kaufabsicht der Männer – genauso wenig wie der Beziehungsstatus der Befragten.
WIE SEXROBOTER UNSERE BEZIEHUNGEN VERÄNDERN KÖNNTEN
Das klingt so, als würden die Maschinen auch Konflikpotential für monogame Beziehungen mit sich bringen.
So ist es tatsächlich. Zum Thema Eifersucht haben wir hier in Duisburg mal eine Studie mit 848 heterosexuellen Frauen durchgeführt. Das Ergebnis fand ich sehr interessant: Roboter können dieselben Selbstzweifel und Eifersuchtsgefühle hervorrufen, wie eine menschliche Rivalin. Dass es sich bei Robotern um Artefakte handelt, spielt beim Thema Eifersucht also keine Rolle. Das Ergebnis hat mich etwas überrascht. Ich hätte eher damit gerechnet, dass die Frauen ihre eigenen Vorteile sehen: Im Gegensatz zu einem Roboter können sie ihrem Partner echte Gefühle zurückgeben.
Wie erklären Sie sich dieses Ergebnis?
Wenn es um Eifersucht geht, dann fokussieren sich Menschen schnell auf Oberflächlichkeiten. Der Roboter lässt sich zum Beispiel nach den individuellen Wünschen anpassen. Er kann exakt so aussehen, wie sich der in diesem Fall männliche Partner das wünscht. Und er kann vielleicht sogar Sexualpraktiken ausführen, zu denen ich als Partnerin nicht bereit wäre.
Solche Wünsche können wir als Menschen natürlich unmöglich erfüllen. Wir sind zwar alle mit einem wundervollen Gesamtpaket gesegnet, aber das trifft nicht immer zu 100 Prozent die Vorlieben der Partner:innen.
Der Autor David Levy argumentierte sogar, dass Sexroboter die Prostitution in Zukunft deshalb teilweise ersetzen könnten.
Aber natürlich replizieren die Roboter auch das Bild der unterwürfigen Dienerin, indem sie ständig verfügbar sind. Das wird in der ethischen Debatte um sexualisierte Roboter zu Recht kritisiert.
Die britische Roboter-Ethikerin Kathleen Richardson sieht darin die Gefahr, dass Sex mit Robotern eine Vergewaltigungs-Kultur unterstützen könnte. Sie forderte sogar ein Verbot der Geräte. Wie beurteilen Sie das aus psychologischer Sicht? Können wir irgendwann nicht mehr zwischen Mensch und Roboter unterscheiden?
Ich möchte diese Bedenken auf keinen Fall kleinreden. Es besteht die Gefahr, dass Menschen mit den Robotern bestimmte Handlungsmuster einüben. Daher gibt es auch immer wieder Diskussionen, ob die Roboter eine Funktion implementiert haben sollten, um so etwas wie ein Konsensgespräch führen zu können. Die Technologie ist eben leider dadurch gekennzeichnet, dass sie keine Widerworte gibt.
Ich spreche mich aber ganz klar gegen ein Verbot von Sexrobotern aus. Allein aus dem Grund, dass uns keinerlei empirische Daten zu dem Thema vorliegen. Aus ethischen Gründen ist die Forschung mit Sexrobotern limitiert. Wir können solche Sachen schlichtweg nicht erforschen.
Dass Menschen gewaltvolle Handlungen eins zu eins vom Roboter auf ihre menschlichen Sexualpartner:innen übertragen, lässt sich aber nicht verallgemeinern. Das würde bedeuten, dass wir Menschen absolut nicht in der Lage sind, zwischen der Interaktion mit einem artifiziellen oder menschlichen Gegenüber zu unterscheiden. Dass das nicht der Fall ist, zeigt meine eigene Forschung: Ich habe mal eine Eye-Tracking-Studie durchgeführt, bei der heterosexuelle Männer die Bilder von Frauen sowie verschiedenen weiblichen Robotern zu sehen bekamen. Dabei zeigte sich: Die Männer blickten den Frauen deutlich länger ins Gesicht als den Robotern. Menschen sehen also immer noch einen Wert darin, die Emotionen ihres menschlichen Gegenübers zu erfassen.
„AUF HETEROSEXUELLE MÄNNER ZUGESCHNITTEN“
Warum haben Sie sich in Ihrer Forschung ausschließlich auf heterosexuelle Männer als Nutzer fokussiert?
Der Markt für Sexroboter ist speziell auf heterosexuelle Männer zugeschnitten. Das ist kaum verwunderlich, denn historisch gesehen sind es eher Männer, die Sexualität kaufen. Das bedeutet aber nicht, dass die Sexualität bei Frauen weniger ausgeprägt ist. Dieses Narrativ hat sich lange gehalten.
Inzwischen gibt es auch männliche Modelle. Die waren damals aber noch eine Seltenheit und konnten deshalb nicht zu Forschungszwecken hinzugezogen werden.
Dass vor allem Männer die Zielgruppe für Sexroboter sind, zeigt sich auch in der Tatsache, dass die weiblichen Roboter viel realistischer und detailgetreuer wirken. All das hängt mit der Tatsache zusammen, dass wir es in der Robotik mit einem Gender Bias zu tun haben: Es sind häufig männliche Programmierer, die die Roboter entwickeln und einen immensen Einfluss darauf haben, welche Produkte zur Verfügung gestellt werden und wie sie aussehen.
Letzteres trägt wahrscheinlich nicht nur dazu bei, dass Sexroboter für manche Kund:innen uninteressant sind, sondern limitiert auch die Forschungsmöglichkeiten?
Genau. Insgesamt braucht es noch viel mehr empirische Forschung zu Sexrobotern und unterschiedlichen Personengruppen. Bisher ist die Debatte zu dem Thema leider sehr heteronormativ geprägt. Ein Beispiel: Ein oft genanntes Argument für Sexroboter ist es, dass die Maschinen vor allem Personen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen helfen könnten, ihrer Sexualität nachzugehen. Wenn solche Aussagen von heteronormativen Personen kommen, sehe ich das sehr kritisch. Wir sollten erstmal mit den betroffenen Personengruppen sprechen. Hierzu gibt es viel zu wenig Forschung.
Eine Voraussetzung für den Ausbau der Forschung ist allerdings, dass wir aufhören, Roboter mit irgendwelchen Endzeit-Phantasien aus der Science-Fiction in Verbindung zu bringen. Dieses mediale Bild hat sich in den Köpfen vieler Menschen festgesetzt. Kein Roboter der Welt wird den Menschen je ersetzen. Die Geräte werden vielmehr eine Ergänzung zu einem bestehenden, menschlichen Angebot sein. Je mehr man sich mit den Kompetenzen dieser Technologien auseinandersetzt, desto weniger scary werden sie – und desto mehr versteht man den Wert von Menschlichkeit.